Bin ich ein Mensch?

11.10.2022

Immer wieder schwirrt mir der Satz im Kopf herum, ob wir wirklich töten dürfen, nur weil wir es können. Den Gedanken weiterspinnend kann gefragt werden, ob wir zerstören dürfen nur weil wir es können? Dürfen wir die Erde zerstören, nur weil wir dazu imstande sind. Jeden Tag ein bisschen, jede Stunde, Minute, Sekunde? Dürfen wir das? Macht uns das zufrieden oder gar glücklich? Diese menschliche Anomalie ist mir unergründlich, weshalb ich mich von dieser eigenartigen Spezies in einem vermeintlichen Akt der Überheblichkeit loszusagen versuche. Was bin ich dann? Ist das, was sich um mich abspielt real? Oder ist meine Umgebung nur Fiktion?

In mir schlummert stets die leicht obsessive Grundhaltung, dass unsere Selbstvernichtung sich im fortgeschrittenen Stadium befindet. Habe ich Angst um das Menschengeschlecht? Die abtrünnige Abkehr der Spezies ist nicht nur überheblich, sondern auch obsolet. Doch weshalb werde ich geächtet, wenn ich kein Flugzeug mehr besteige, mich meistens mit dem Velo bewege, mich so gut es geht lossage von tierischen Produkten, Bio zum persönlichen Mindeststandard definiere, keine übermässige Nutzung der energetisch schwachsinnigen Cloud- und Streamingdienste leiste, das minimale verwenden elektrischer Geräte seit einem umfassenden Strommonitoring vor bald acht Jahren als selbstverständlich ansehe? Weshalb werde ich abermals in weiten Gesellschaftskreisen verunglimpfend als grün verschrien? Als etwas das man nicht zu sein hat. Und wenn es so ist, weshalb ist grün sein so verwerflich? Diese unergründlich hostile Haltung ist erdrückend, insbesondere weil ich nur versuche, mein Wissen umzusetzten. Ist es nicht selbstverständlich die Erde zu einem lebenswerten Ort zu machen? Jeden Tag ein bisschen, jede Stunde, Minute, Sekunde?

Weshalb soll ich mir ein Automobil erstehen, wenn ich um die schwerwiegenden Folgen von Strassenbau oder den einhergehenden Bewegungsmangel weiss, genauso wie die karzinogenen Folgen und die karbonisierte atmosphärische Konzentration chemischer Umwandlungen von Verbrennungsmotoren? Weshalb soll ich es dennoch tun? Mich gegen mein Wissen wenden? Gegen meinen Verstand? Gegen die Venunft? Mich gegen die Gesellschaft wenden? Gegen die Gesellschaft? Dürstet sie nicht ebenso nach Wissen über diverse Funktionsweisen? Was nützt mir Wissen, wenn ich mich nicht darauf beruhe? Macht das Leben dann überhaupt Sinn oder gar Freude? Lebe ich dann überhaupt? Lebe ich wenn andere Leben? Ist das Sein in diesem Sinne erstrebenswert oder gar erträglich?

Wir haben keine andere Wahl als grün zu sein und damit sei nicht jene frevlerische grüne Unmündigkeit gemeint wie sie mancher Luzerner Nationalrat zu praktizieren pflegte, indem sie sich im Anzug vor einer Photovoltaikanlage für das Wahlplakat ablichten liessen. Und wenn es generell heisst, die Anstrengungen sind viel zu hoch und unbequem, dann kommt mir stets die kantsche selbstverschuldete Unmündigkeit in den Sinn, wie er die Menschen als faul und feige beobachtete. Er gibt uns gar einen vermeintlichen simple Anleitung, dass wir den Mut aufbringen sollten uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen. Doch sind wir dazu in der Lage?

"Und je reicher sie an Gedanken wurden, umso mehr litten sie." Gustave Flaubert in 'Bouvart et Pécuchet' S. 19/20

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