In Erwartung jenes Moments, bis die schroffe Glocke mich vom einseitigen Handballspiel weglockte, zuckte sich meine Beckenmuskulatur kurzzeitig zusammen. Ich strich hastig das Sofa glatt, faltete die fasrige Decke mit den Playboyhäschen meiner Vermieterin zurecht, zog den Mund-Nasen-Schutz an und schlüpfte in meine Pantoffeln bevor ich die Haustüre ruckartig öffnete. Ich begrüsste eine junge Frau in biederer naturwissenschaftlicher Kleidung die sogleich in urschweizerischer Manier ihre Schuhe auszog, sich streckte und hereintrat. In der bald seltenen eins zu eins Betreuung beantwortete ich ein paar gebräuchliche Fragen, die bei einer Wohnungsbesichtigung anfallen, bevor die Hausglocke Sturm lief. Alsbald fand sich im Stiegenhaus eine Menschenschlange wieder, die sich schütter über die Treppe und ihre Podeste bis hinunter ins zweite Obergeschoss legte. In erstaunlicher Disziplin waren keine Maskenverweigerer zugegen, die ich mit vorgängig sorgfältig einstudierten Phrasen zur Einsicht hätte bringen müssen, was meine angespannten Gesichtszüge leicht erschlaffen liessen.
Maximal zu viert ertasteten die Füsse der gespannten Wesen den Parkettboden und breiteten sich in einem undefinierbaren Muster im Raum aus. Balkontüren wurden geöffnet, mit der Handfläche oder dem Zeigefinger an Schranktüren entlanggestrichen, Wände und Ecken behutsam visuell abgetastet und erfolglos gehorcht. Möbel und Katzenbäume wurden imaginär im Raum platziert, Bilder aufgehängt, die Sofaform mit dem Grundriss abgeglichen und den besten Ort des Fernsehers ausgewählt. Fragen zur Parkplatzsituation, die inkludierten Nebenkosten oder den Grad der Dämmung beschallten mich beharrlich. Ich setzte diplomatische Antworten zur Nachbarschaft entgegen, beschrieb in übertriebener Detailtreue das Kellerabteil und den Wäschevorgang, den ich überhaupt nicht kannte und schloss mit dessen Stromzählsystem.
Mit Smalltalk begann ein Brillenträger die Frageorgie, indem er zunächst mich für die einleuchtende Idee das Gestell mit den Gläsern über der Schädeldecke zu tragen lobte, um dem unangenehmen Beschlagen durch Maske, kalten Backen und warmer Raumluft zu entgehen, damit er sich anschliessend entschuldigen konnte, dass er diesen leichten Handgriff der aufgesetzten Mütze wegen nicht adaptieren werde.
In einer ruhigen, etwa zwei bis drei Dutzend Sekunden umfassenden Zwischenphase, gab sich mein Blick einer Frau in gelber Daunenjacke hin, die mit hochgestecktem Haar und feiner, dunkler Haut, die lockere Art der südlichen Hemisphäre mitbrachte und sich sofort dem Schubladenöffnen in der gerade leerstehenden Küche zuwendete. Der Frau bot sich der massakrierende Anblick entblösster Victorinox-Messer und ein gemusterter Sparschäler mit verblichenen Sonnenblumen drauf. Ihr heiterer Ausdruck tiefster Freude liess sie die nächste Schublade öffnen die spärlich eine Streichholzschachtel mit einem Aufdruck der Semperoper offenbarte. Die resoluten Handgriffe manifestierten einen absonderlichen Drang fremde Wohnungen zu besichtigen, alleine der Küchenschubladen wegen. Als es keine Schublade mehr zu öffnen gab, verschwand sie hastig im Badezimmer um sich Augenblicke später zu verabschieden und entschlossen im Treppenhaus zu verschwinden.
In der Schlussviertelstunde widmete ich
mich dem Eritreer und seinem Beistand und erklärte in holprigem Englisch mein
komplexes Wohnverhältnis und versuchte das Datum des Einzugs zu entwirrten. Ich
apperzipierte die Hoffnungen, die sich hinter jedem Erscheinen zeigten und in
sämtlichen Augen zu finden waren, die wenigen Quadratmeter für die nächste Zeit
zu mieten.
Im Nachgang entdeckte ich zu meinem
Erstaunen das Negativ eines Schuhprofils das in unwillkürlicher Präzision nahe
dem metalligen Balkongeländer in den Schnee gestanzt wurde, obschon angesichts
der Überdachung keine dringende Notwendigkeit hierfür bestand. Manche
antropogenen Verhaltensweisen scheinen unergründlich.