Der tanzende Park

Abends wird jeder Park in China
lebendig. Das Leben spielt sich nicht in den dunklen, grauen Wohnsilos ab,
sondern verlagert sich dorthin, wo es grünt. Von verschiedenen Tanzgruppen erklingt Musik aus hüfthohen, portablen
Lautsprechern. Die Chinesen sind kein leises Volk, das manifestiert sich
in diesem Park in Xining. Die Musik ist klassisch und sanft, die passenden
Tänze dazu geschmeidig.
Niemand ist zu exzentrisch um nicht mitzumachen, keine Bewegung zu ausgefallen,
um darüber zu spotten. Es scheint mir, die gesamte Gesellschaft nimmt daran teil. Da ist der Herr mit dem schweren Schlüsselbund, der bereits eine eigene
Akustik erzeugt und die Hose asymmetrisch werden lässt. Nebenan tanzt die Tusse
mit zerrissenen Jeans und leuchtend gelbem Armani Pullover. Es gibt
Mokassinträger aus zartem Yakleder und jene die einen Cowboyhut aufgesetzt
haben. Der Rock der Frau mit dem Rosenmuster entfaltet eine fantastische
Wirkung, besonders bei den Drehbewegungen, während dem die etwas korpulente
Frau in Absatzschuhen ihre Bewegungen nie gänzlich vollendet, dafür ihren
Schweiss halbminütig von der Stirn wischt. Die Mundschutzträgerin tanzt neben
dem Macho, der wiederum seine Bewegungen neben dem jungen, tätowierten
Hipster vollführt. Alle haben sie Platz, alle dürfen mitmachen. Sie sind
herrlich synchron, die Bewegungen passen zusammen. Die Tanzenden sind in einer
Spirale formiert die sich langsam im Kreis dreht. Das zahlreiche Publikum ist
ebenso begeistert wie ich.
Die Gruppe gerät nur einmal kurz ins Stocken, als nebenan Fontänen aus dem
Boden schiessen und ein fürchterliches Wasserspiel beginnt. Das Publikum
schwenkt mit den filmenden Smartphones prompt zur grässlichen Propaganda, die
mit Musik jenseits des Gesunden einhergeht und jene der harmonisch im Kreis
tanzenden Menge, um ein vielfaches übertönt.
Doch die Arme schwingen weiter und die Beine Kreuzen sich wie vorher.